Wieder zurück im Appartement schrieb ich Michael. Es wurde eine sehr lange Mail, die ich mit den Worten beendete:  

und ich glaube hier im "Melcherleshorn" ist die allerschönste Ecke der Insel!  smile

Ich bin hier! So richtig glauben kann ich das noch gar nicht. Da sitze ich, schaue auf´s Wasser während ich Dir schreibe und fühle mich so unbeschreiblich gut!

Das ist nun so viel Text – beinahe ein Roman voll mit meinen Gefühlen und Erlebnissen. Dabei bin ich doch gerade erstmal angekommen. Ich werde mich in meinen nächsten Mails kürzer fassen (so gut ich das hinbekomme biggrin ). Versprochen!  emoticones emoticones

Anschließend ging ich mit meiner Kamera auf eine erste Inselentdeckungstour. War es hier tatsächlich so wunderschön, oder waren es meine Freude und Glücklich-Sein, die meinen Blick an diesem Tag führten? Vermutlich beides – doch weiß ich gut, wie sehr meine innere Gestimmtheit meine Wahrnehmung färbt.

Später, es dämmerte schon, setzte ich mich ans Ufer und schaute übers Wasser. Von irgendwo wehte leise Musik zu mir herüber. Auf der anderen Seite des Sees begannen mehr und mehr Lichter aufzuleuchten und sachte plätscherten kleine Wellen über die Steine vor meinen Füßen. Was für ein Tag und wie tief empfand ich nun gerade diesen Moment.  

Wieder im Appartement sah ich, dass Michael geantwortet hatte. 

Liebe Lotte,


zuerst einmal herzlichen Glückwunsch, dass Du alles so gut geschafft hast! Von etwas träumen ist was anderes, als es dann tatsächlich zu tun. Auch die Klippe mit den Quartieren hast Du gut umschifft.

 

Ich weiß natürlich, dass Du neben dem Wohlfühlen das Gefühl hast, das mit jemandem teilen zu wollen - oder es wenigstens jemandem mitteilen willst. Deshalb schreibe mir nur, wenn Dir danach ist. Da ich nicht auf Urlaub bin smile  kann ich leider nicht abschätzen, wie viel ich Dir antworten kann.

Liebe Grüße, Michael emoticones

In dieser Nacht schlief ich prima und fühlte mich am Morgen so wohl wie schon lange nicht mehr. Auch fühlte ich mich kein bisschen allein - was natürlich nicht zuletzt an der nun gut funktionierenden Verbindung zu Michael lag.  

Noch bevor ich meinen Rucksack für meinen ersten, richtigen Inseltag packte, schrieb ich ihm. Nachdem sich nun die Aufregung rund um Fahrt und Quartiersuche gelegt hatte, begann mich unser Gespräch wieder zu beschäftigen, das durch die Fahrt unterbrochen worden war.

„Fest der Liebe“…das ließ mich nicht los. 

Lieber Michael,

 

vor ein paar Tagen schriebst Du mir:

 

Ich werde versuchen, in den nächsten Tagen etwas vom "Fest der Liebe" zu schreiben, das natürlich nicht in erster Linie ein körperliches Phänomen ist, sondern ein Verschmelzen von Geist, Seelen und Körpern.

 

Mir ist klar, dass so ein Text nicht mal schnell aus dem Ärmel zu schütteln ist. Wenn Du aber Zeit dafür hast - freue ich mich sehr darauf.  Ich kann nicht aufhören daran zu denken. Was Du schreibst empfinde ich als wunderschön; dennoch ist es für mich kaum vorstellbar, dass dies wirklich real erlebt und empfunden werden kann und es nicht lediglich schöne "geflügelte Worte" sind.  
Wie ist das, wie fühlt es sich an – kannst Du das vielleicht ein wenig beschreiben?

Viele liebe Grüße emoticones
Lotte

Die Wetterfee war offensichtlich bester Laune und begrüßte mich an meinem ersten Tag auf der Insel mit strahlendem Sonnenschein. Ich suchte mir ein schönes Uferplätzchen ums andere, saß mal hier mal da in der Sonne, ließ meine Beine ins Wasser und meine Seele in den Tag hinein baumeln und genoss meine Freiheit und das süße Nichtstun. Einen Plan, was ich alles tun wollte, hatte ich mir absichtlich nicht gemacht. Ich ließ mich einfach treiben, schaute, fotografierte und sammelte so viele Freudemomente wie ich konnte.

Als ich am Abend müde und glücklich ins Appartement zurückkehrte wartete Michaels Antwort bereits auf mich.

Liebe Lotte,


nachdem Du im Moment natürlich viel Zeit hast, darüber nachzudenken, will ich mal die Mittagspause für den Versuch einer Antwort nützen.

Ein „Fest der Liebe“, eine "Liebesnacht", ist weder eine Metapher noch ein Märchen noch Kitsch aus Liebesromanen. Es braucht allerdings Voraussetzungen, um sie feiern zu dürfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Voraussetzungen bei zwei Menschen vorhanden sein müssen.
Zuerst braucht es den Funken, der in der Lage ist, eine Beziehung auszulösen. Die unterschiedlichen weiblichen und männlichen Mechanismen, die dazu in der Lage sind, lasse ich mal beiseite, sonst wird doch noch ein Buch daraus. smile
Diese Auslöser müssen stark genug sein, damit sich auch ein Weibchen nach sexueller Körperlichkeit sehnt (bei den Männchen braucht man da nicht lange zu suchen; durch weiblichen Reiz wird ein „Schalter“ umgelegt, ein "Programm" eingeschaltet).

Wenn es zu erotischen und sexuellen Handlungen kommt und sie mehr Freude als Frust bereiten, wäre ein weiterer Schritt getan (jede sexuelle Annäherung bedeutet Chance und Risiko).
Beide, Männchen und Weibchen, müssen reif dafür sein, wobei Reife nichts mit dem Alter, sondern mit dem Grad verschiedenster Gefühle zu tun hat. Nachdem das Männchen der aktivere Teil sein muss, spielt seine sexuelle Reife eine besondere Rolle.

Ein Fest der Liebe kann viele Stunden oder sogar Tage dauern.
Der Grundgedanke ist, de(r)m anderen etwas vorbehaltslos zu schenken: Vertrauen, Nähe, Intimität, Lust. Nachdem männliche Lust einfach zu (hand)haben ist biggrin, geht es um die weibliche. Das Männchen muss seine Lust hintanstellen und mit seinem gesamten Körper (nicht nur mit dem, das "er" als Hauptwerkzeug smile empfindet) seinem Weibchen Lust bereiten wollen. Nachdem ein Weibchen in einem Fest der Liebe bald zu einer einzigen erogenen Zone wird, ist der Kreativität Tür und Tor geöffnet; Liebes-Massagen zum Beispiel können die Lusttemperatur weiter steigern. Das Männchen, das akustisch die Lust des Weibchens miterleben darf, surft auf ihren "Wellen" mit (es muss ja nicht 101x sein). Irgendwann darf er natürlich auch; aber seine Anatomie ist und funktioniert anders. Hat er dann, wird er faul und müde, während das Weibchen „ewig“ weitermachen könnte (9/10 - 1/10 smile).

Pausen mit Essen und Trinken im Bett gehören dazu. Natürlich reden ohne Ende, ohne Tabus; Kitzeln, Lachen und Spaß haben. Irgendwann können und wollen beide weiter machen und irgendwann schlafen sie gemeinsam und erschöpft ein und machen bei einem Aufwachen dort weiter, wo sie aufgehört haben. Das ist ein Verschmelzen in Liebe, das in Betrachtung mancher Beziehungen mit Recht eher als ein Märchen vermutet werden muss, das aber völlig real ist, wenn die Voraussetzungen dafür von zwei Menschen geschaffen werden.

 

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Männchen von Weibchen am ehesten anfangs im Bett zu „erziehen“ sind, dass „sie“ aber wissen muss in welche Richtung (fünf Minuten mehr „Vorspiel“ reichen nicht  smile).
„I have the pussy, I make the rules!“ biggrin


Umgekehrt ist es so, dass es auch für ein Männchen, das sich wie geschildert verhält, keine Garantie dafür gibt, dass sich Liebesnächte entwickeln (manche frühen und schlechten Erfahrungen können nur schwer gelöscht werden), aber die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt, ist hoch.

Liebe Grüße, Michael emoticones

Was für ein Text! Michael beschrieb eine andere Welt als die, in der ich zuhause war. Eine so schöne! Seine Worte begleiteten mich bis in meine Träume hinein. Lange vor der Sonne erwachte ich.  

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